Für Alice gibt es kein Wunderland

Irgendwann bemerkte Alice, dass es eigentlich keine Wunder gibt.
Es war der Tag, an dem die Zeit der Wunder endete.
Denn eines Tages bemerkte sie, dass diese Ereignisse, so wundersam und erstaunlich sie zuvor gewesen sein mögen oder auf sie gewirkt haben, immer wieder auf die gleiche Weise auftraten.
Je länger sie diese Wunder beobachtete, desto mehr Zusammenhänge konnte sie erkennen. So ergaben sich größere Wunder aus der Kombination von kleineren Wundern, die auf gewisse Weise aufeinander wirkten und sich gegenseitig beeinflussten. Ja, nach einer Weile konnte sie sogar berechnen und somit vorhersagen, wann und wo welche Wunder in welcher Kombination zueinander auftraten.
Nachdem Alice all dies viele Jahre lang beobachtete und studierte, Zusammenhänge, Definitionen und Worte gefunden hatte, wunderte sie sich nicht mehr. Es schien, als sei alles einfach und verständlich, auch, wenn es früher noch so wundersam gewesen war.
Nachdem sie vieles, was sich in ihrer Welt ereignete, erforscht und definiert hatte, musste sie zu dem Schluss kommen, dass auch sie selbst kein Wunder war. Denn schließlich war sie aus den Dingen ihrer Welt gemacht.
Dinge, die einfach da waren und sich einfach ereigneten, auch wenn sie manches noch nicht vollends verstand und für manches noch keine Worte gefunden hatte. Aber, dass es sich so und nicht anders auf immer die gleiche Weise ereignete, so oft sie auch nachgesehen, gemessen und beobachtet hatte, dessen war sie sich sicher, das konnte sie feststellen.
Es kam vor, dass sie auf neue Ereignisse stieß, die sie noch nicht kannte und noch nicht beobachtet hatte. Und auch diese Dinge beobachtete und erforschte sie. Und auch dort stellte sie fest, dass auch diese Dinge und Ereignisse immer wieder auf die gleiche Weise auftraten. Deshalb waren auch neue Ereignisse und Dinge, die zunächst wie Wunder wirkten oder in einem solchen Gewand gekleidet waren, sehr bald keine Wunder mehr.
Sie musste nur lang genug hinsehen, messen, erforschen und Worte finden.
Also definierte Alice, dass es keine Wunder gibt.
Sie war sich so sicher, dass es keine Wunder gibt, dass sie andere herausforderte. Sie sollten einen unbekannten Aspekt nennen, der dermaßen wundersam erschien, dass es wie ein Wunder wirkte.
Auch bei den seltsamsten und wundersamsten Ereignissen, die Alice genannt und beigebracht wurden, musste sie nur lang genug hinsehen, messen und forschen, um letztlich sagen zu können, dass dies immer wieder auf die gleiche Weise und zur gleichen Zeit auftreten würde und es sich deshalb nicht um ein Wunder handelt.
Doch Alice hatte sich getäuscht. Die Aussage, dass es keine Wunder gibt, ist falsch. Denn angenommen, ein Wunder ereignet sich in regelmäßigen Abständen immer und immer wieder, so ist die Aussage, dass es deshalb kein Wunder ist, falsch. Der Unterschied ist lediglich, dass es sich immer wieder auf die gleiche Weise ereignet.
Letztlich führt uns diese Logik dahin, dass lediglich Ereignisse und Dinge, die lediglich einmalig auftreten und die man aufgrund dessen nicht erforschen könne, Wunder seien oder sein könnten.
Der Trugschluss liegt also im Verständnis der Zeit und dem Ort.
Nehmen wir an, es existieren Ereignisse, die zwar in regelmäßigen Abständen stattfinden, aber an immer unterschiedlichen Orten, so müssten diese Ereignisse und Dinge als Wunder deklariert werden.
Nehmen wir an, es existieren Ereignisse, die zwar immer am gleichen Ort, aber immer zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, so müssten diese Ereignisse und Dinge als Wunder deklariert werden.
Nehmen wir an, es existieren Ereignisse, die immer an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, so müssten diese als Wunder deklariert werden.
Nehmen wir an, es existierte ein höheres Wesen, welches neue(!) Ereignisse schaffen könnte, welche sich in das bisherige Weltbild von Alice einfügten und auch regelmäßig auftreten und somit von Alice erforscht werden könnten.
Was hat sich letztlich geändert?
Die Antwort ist: Nur Alice hat sich geändert, sonst nichts.
Es könnten einzig Wunder um sie herum sein, sie würde es nicht bemerken.
Es könnte sich die Welt verändern und Alice würde es nicht bemerken.
Alice sieht, beobachtet und misst Dinge und Ereignisse, die in ihrer Welt erscheinen und dies regelmäßig tun. Das ist die Grundlage ihres Verständnisses. Sie weiß nicht, woher diese Dinge und Ereignisse kommen oder wie sie ursächlich in Erscheinung treten oder zustande kommen.
Sie kann nur wissen, dass sie zuverlässig und regelmäßig in Erscheinung treten.
Doch somit können diese Dinge und Ereignisse selbst ein Wunder sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert