Mindestlohn: Zuviel zum Sterben, zu wenig zum Leben

Lange wurde darum gerungen, endlich soll er kommen, der – meines Erachtens – viel zu niedrige Mindestlohn. Gleichsam ist es wohl das einzige Mittel der Politik, Unternehmer dazu zu bringen, die eigenen Mitarbeiter zumindest nicht in völliger/tatsächlicher Armut leben zu lassen.

Ich weiß nicht, ob sich jemand schon einmal die Arbeit gemacht und nachgerechnet hat, was denn überhaupt bei einem Verdienst dieser Art herauskommt.
Dabei ist es ganz einfach. Bei 40 Stunden die Woche und 4 Wochen den Monat (Schnitt) lautet die Formel: 160×8,50=1360 Euro brutto(!).
Nun wollen wir mal die Steuern und Sozialabgaben abziehen, sind bei einem kinderlosen Paar und Steuerklasse 3 ca. 1080 Euro netto.

Wie weit kommt man mit 1080 Euro?

Beispiel: Während eines Beratungsgespäches bei einer Bank nannte mir der Bankangestellte einen Betrag von 1000 Euro, der von der Bank angenommen wird, den zwei Personen monatlich zur Begleichung der regulären Kosten für die normalen Dinge des Alltages wie Lebensmittel, Pflegeartikel, Kleidung und dergleichen benötigen.

Okay, ziehen wir das ab, bleiben diesem Paar 80 Euro übrig, um zumindest Wohnung, Strom, Heizung, Telefon, Auto und vieles mehr zu finanzieren.
Ganz klar, dass das nicht geht.

Komisch. Wenn ich mich an meine Großeltern erinnere, meine ich, dass allein das Gehalt meines Großvaters ausgereicht hat, um den gesamten monatlichen Bedarf zu stemmen. Und mein Großvater war Handwerker, nicht etwa in einer höheren Position irgendwo.

Wir können also festhalten: Beim Mindestlohn darf man kein Single sein und der Partner muß definitiv auch arbeiten.

Tja, da haben sich die Zeiten wohl geändert, denke ich, und gehe mal davon aus, dass dann der andere Partner auch noch arbeiten gehen muss.
Halt. Was ist, wenn einer der Partner krank ist und garnicht arbeiten gehen kann, vielleicht weil er/sie eine Behinderung hat?
Und was ist, wenn dieser Partner selbständig war und keine Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt hat und ihm/ihr daher auch keine Erwerbsminderungsrente zusteht?
Klar, das wurde natürlich nicht berücksichtigt, wäre ja auch zuviel verlangt von Personen, die ihren Lebensunterhalt von unseren Steuern beziehen und einzig dafür bezahlt werden, dem Wohl des Volkes zu dienen.

Aber wollen wir mal den ironischen Unterton lassen, bzw. ich lasse es nun.
Bleibe ich halt sachlich.

Wir können also festhalten: Beim Mindestlohn müssen beide Partner gesundheitlich oben auf sein.

Okay, der andere Partner muss auch arbeiten gehen.
Ganz klar, denke ich. Dann ist der andere Partner in einer besseren Position, hat eine gute Ausbildung, bekommt auch einen passenden Job  und verdient dann halt entsprechend mehr und alles ist wieder gut, denn das Paar hat dann wieder ausreichend Geld, wenn man es in der Summe betrachtet.
Dann wäre es also abhängig davon, mit wem ich zusammen bin. Ich müßte dann also bei meiner Partnerwahl berücksichtigen, dass er/sie auch einen entsprechenden Job hat, der meinen geringen Verdienst ausgleicht.
Doch ist das real? Kann man aufgrund dieser Annahme für die Bevölkerung einen Mindestlohn definieren?

Aber was ist, wenn man die Partnerwahl nicht vom Beruf des Geliebten abhängig macht, was sehr wahrscheinlich die Regel sein wird und eher der Realität entsprechen dürfte?

Wir können also festhalten: Verdient man selbst nur Mindestlohn und möchte man sich mehr leisten können als das nackte (Über)Leben in einer Gesellschaft wie der hiesigen, muss man sich einen Partner suchen, der mehr als den Mindestlohn verdient.

Dann könnte man also den folgenden Fall definieren. Beide Partner haben einen ‚Mindestlohn-Job‘. Das Gehalt des ersten Partners haben wir oben bereits berechnet. Bleibt der zweite Partner. Dessen Steuerklasse kann somit bei Klasse 1 ausfallen.
Unter Berücksichtigung der gleichen Parameter kommen wir hier ebenfalls auf ein Brutto-Gehalt von 1360 Euro.
Netto dürften dann abgerundet ca. 1013 Euro übrig bleiben. In Summe kommen wir dann auf: 1080+1013=2093 Euro netto.

Unser Beispiel-Paar liegt damit 189 Euro über der Armutsgefährungsgrenze für Deutschland (2013, Quelle: Wikipedia Armutsgrenze) und dass, obwohl beide einen Fulltime-Job haben.

Abzüglich der oben erwähnten 1000 Euro bleiben dem Paar nun 1093 Euro für Wohnung, Strom, Heizung, Telefon und Auto.

Die Kosten für eine Wohnung zur Miete dürften von Stadt zu Stadt variieren. In der heutigen Zeit wird es fast unmöglich sein, eine Wohnung für unter 500 Euro Kaltmiete zu finden. Ich bin aber mal unrealistisch positiv gestimmt und nehme an, es gelingt dem beschriebenen Muster-Paar, eine einigermaßen akzeptable Miet-Wohnung für, sagen wir 450 Euro Kaltmiete, zu finden. Es läßt sich über den Verbrauch streiten, daher nehme ich einfach ab jetzt Erfahrungswerte am unteren Limit. Strom 90 Euro, Heizung 60 Euro, sonstige Nebenkosten (Müll, Beleuchtung außen, Wasser usw.) 40 Euro und Telefon 35 Euro monatlich. Das Auto lassen wir erst außen vor.
1093-450-90-60-40-35=418 Euro
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir bisher lediglich die Lebenshaltungskosten sowie Wohnen mit Verbrauchswerten und Telefon berücksichtigt haben.
Was gibt es noch außer Arbeiten, Essen und Wohnen?
Das ist nicht schwer: Auto/Bus/Bahn (Weg zur Arbeit), Urlaub, neue Möbel, soziale Verbindlichkeiten (z.B. Geburtstage, Taufen, Hochzeiten, Jubiläen, etc.), Weihnachten, neue Haushaltsgeräte (irgendwas geht immer kaputt), Versicherungen, Haustiere, Arzt/Medikamente (Eigenanteil) etc. und ich habe sicherlich noch etwas vergessen.

Wir können also festhalten: Beim Mindestlohn muss man wohl oder übel auf den ein oder anderen Aspekt des normalen Lebens verzichten und muss jeden Euro min. zweimal umdrehen, bevor man ihn ausgibt. Ach ja, man muss verdammt viel Glück (und Zeit) haben, eine Wohnung für 450 Euro Kaltmiete zu bekommen.

Nach den ganzen o.g. Beispielen und Rechnungen wird doch eines deutlich: Der Mindestlohn sorgt lediglich dafür, dass ein gesundes Ehepaar (Möglichkeit der Steuerklassen 1 und 3) trotz zweier Fulltime-Jobs gerade so in der Öffenbtlichkeit als ’nicht arm‘ auffällt. Tatsächlich sind kaum oder keine großen Sprünge möglich. Ein Auto kann man schon fast vergessen und wenn man sich etwas kaufen möchte, was teurer als 100 Euro ist, muss man an andere Stelle wie Lebensmittel oder ähnlichem sparen oder einen Kredit aufnehmen, wonach man aber wieder in den Folgemonaten weniger in der Tasche hat und daher stets am knapsen ist.

Alle anderen als das oben beschriebene gesunde Ehepaar fallen durch und stehen tatsächlich in Armut, wenn z.B. nur ein Partner arbeiten gehen kann.

Ich habe mich schon immer darüber gewundert, wieso von Seiten der Politik dieses selbstlose Bestreben zu mehr Gesundheit vertreten wird.
Vielleicht ist das auch ein Grund: ‚Werdet bloß nicht krank, denn dann seid ihr am Arm. Und vergesst die Zeiten als noch das Gehalt eines Partners ausgereicht hat, um eine ganze Familie über Wasser zu halten. Mehr Leistung wird gefordert, sonst frisst euch die kalte Hand des Kapitalismus und/oder Globalisierung auf.‘

Nach diesen ganzen Ausführungen und Verdeutlichungen mag man garnicht darüber nachdenken, wie viel Geld diesem Musterpaar (noch schlimmer: Bei Singles!) geblieben ist, als es noch keinen Mindestlohn gab!

Ich finde es eine Schande, dass es überhaupt Unternehmer(Innen) gibt, die unterhalb von 8,50 Euro Menschen beschäftigen.

Ganz klar, wer solch einen  Business-Plan mit derart schlechten Perspektiven ausarbeitet, dass nicht einmal die Mitarbeiter vernünftig bezahlt werden können (dabei erachte ich als vernünftig alles oberhalb von 10 Euro), der sollte solch ein Geschäft erst garnicht eröffnen (dürfen).
Das kann nur bedeuten, dass die Produkte oder Dienstleistungen entweder nicht gefragt sind, oder einen dermaßen schlechten Ruf genießen, dass niemand dafür so viel Geld ausgeben möchte, dass die Mitarbeiter des Herstellers oder Anbieters davon leben können. Dann heißt es entweder Preise erhöhen oder das Geschäft gleich sein lassen oder aufgeben. Etwas zu machen einzig als Selbstzweck bringt nur Armut, wie man oben sehen kann.
Zum Geschäftsleben gehört in einem gehörigen Maße Vernunft, Verantwortungsbewußtsein für seine Mitarbeiter und auch ein Sinn zum Geld generieren durch die Geschäftsidee oder Strategie, damit davon die Beschäftigten leben können. Alles andere ist Hampelei und hat nichts mit dem Geschäftsleben oder Selbständigkeit zu tun.
Hier muss die Politik Lösungen schaffen, damit nicht durch niedrige Preise, vielleicht aufgrund einer extremen Konkurrenzsituation, die Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen an der Armutsgrenze knapsen, nur weil die beteiligten Unternehmer kein Gewissen haben oder sonstwie gesellschaftsfeindliche Einstellungen haben und somit letztlich vielleicht sogar den sozialen Frieden gefährden.

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