Je stärker die Streiks, desto schwächer der Journalismus

Wie mir bereits in meinem Beitrag ‚Meinungsmache Nachrichten‚ aufgefallen war, kommen Streikende und deren Gewerkschaften nicht gerade glimpflich dabei weg, wenn man sich – im wahrsten Sinne des Wortes – das Recht herausnimmt, für besseren Lohn und Arbeitsbedingungen zu streiken.
Was sich mir diese Woche im TV an Beiträgen entgegenschlug, war jedoch schon fast am Ende des guten Geschmackes und hinterlässt bei mir den Eindruck, dass das Niveau des guten Journalismus doch noch immer wieder unterboten werden kann.

Einmal davon abgesehen, dass ich das Gefühl hatte, dass die ganze Woche eine wahre Hetze gegen die Streiks der GDL auf fast jedem Sender zu verfolgen war, war mir jedoch der folgende Beitrag bei ‚Hallo Niedersachsen‘ mitte dieser Woche besonders negativ aufgefallen.
Was sich da abspielte, kann ich nur als schamlos und zynisch aburteilen.
Der Beitrag zu den Streiks der GDL war, wie sollte es anders sein, von vornherein auf contra getrimmt. Soundsoviele Reisende sitzen hier und dort fest, nichts geht mehr, usw. usf. Dann aber der Höhepunkt. Es wurde eine Reisende herausgepickt, die Krankenpflegerin ist. Wie jeder weiß, sind besonders die Pflegeberufe nicht gerade dafür bekannt, geregelte Arbeitszeiten zu haben oder dass dort ein hoher Verdienst zu erwarten ist. Die Frau gab an, von der Arbeit zu kommen und erschöpft zu sein, da sie bereits seit 6 Uhr oder so auf den Beinen sei. Leider weiß ich nicht mehr genau die Einzelheiten. Aber es kam in etwa so heraus, dass die Frau mehr als 40 Stunden die Woche arbeitet und irgendwas zwischen 1400 und 1600 verdiente. Es kommt mir jetzt auch nicht auf die Einzelheiten an, denn es geht mir um die Art, mit welchen Methoden gegen die Streiks gewettert wird.
Diese Frau wurde nun also instrumentalisiert und zu einer streikenden Bahnangestellten geschickt. Die Jounalisten dabei mit Kamera hinterher.
Die Frau konfrontierte die streikende Bahnerin damit, dass sie ja bereits seit früh am Tag unterwegs sei und so sehr viel schlechtere Arbeitsbedingungen und Verdienst habe, dass der Eindruck erschien, dass die Bahnerin doch wohl auf einem so hohem Niveau streike, dass es lächerlich wirken sollte. Und mit einem Ausdruck a la ‚Der habe ich es gegeben. Siehste, den Bahnangestellten geht es viel zu gut und wissen garnicht wie gut sie es haben‘, ging die Krankenpflegerin dann davon. Alles festgehalten auf Kamera und als quasi Beweis dafür, dass diese Streiks doof sind. Stimmungsmache par excellence und auf niedrigstem Niveau.

Dabei ist es doch ganz einfach und eigentlich das, was dabei stattgefunden hat.
Liebe Jounalisten,  es ist nicht so, dass die Bahner zu viel verdienen. Oder, dass es denen zu gut geht.

Nein, die zu bemitleidende Krankenpflegerin hat viel zu schlechte Arbeitsbedingungen und im Vergleich einen viel zu miserablen Verdienst, als dass es sich vergleichen ließe!

Denn was ist sonst die Kernaussage dieses Beitrages?
Erst, wenn alle min. 50 Stunden die Woche bei einem Verdienst von max. 1600 Euro brutto arbeiten, darf gestreikt werden?
Oder dann auch nicht, weil es dann wieder Leute gibt, die wiederum bei viel schlechteren Bedingungen arbeiten müssen?
Nun, es geht noch weniger, wie ich in meinem Beitrag ‚Mindestlohn‚ vorgerechnet habe. Denn mit Mindestlohn liegt man nur noch unwesentlich oberhalb der Armutsgrenze. Wäre es dann im Sinne derer, die Streiks gleich ganz abschaffen wollen?

Das ist der richtige Übergang zu dem, was ich heute (Sonntag, 19.10.2014) Abend bei DAS (NDR) gesehen habe. Nach dem üblichen ’nichts geht mehr und (diese) Streiks sind schlecht‘-Gezaudere dann ein Sprecher der Lufthansa vor der Kamera.
Er äußerte gar, dass man über eine Änderung des Streikrechts nachdenken müsse. Zumindest für Bereiche, die in der Öffentlichkeit Auswirkungen haben. Denn im Zusammenhang der Globalisierung, könne es nicht sein, dass in Deutschland nichts mehr ginge, oder Zitat: ‚Alles am Boden liege.‘

Okay, darauf habe ich gewartet. Wenn die Zügel erstmal losgelassen sind, kann natürlich das Argument des imperativen Kapitalismus nicht mehr weit sein. Denn wenn es ans Geld geht, sind heutzutage auch die Grundrechte nicht mehr sicher.

Dann beschneiden wir doch unsere Grundrechte, wenn es der Wirtschaft dient, kein Problem!

Liebe Arbeitnehmer und Zuschauer: Lasst euch nicht beeinflussen, denn es geht um unsere(!) Rechte.
Irgendwann, wenn über Jahre hinweg keine Lohnerhöhung mehr kommt, seid ihr dran und wißt nicht mehr, wie ihr eure Rechnungen bezahlen sollt. Dann müßt ihr ran und für eure Rechte einstehen, für einen Lohn z.B. mit dem man die Kinder satt bekommt.
Lasst euch also nicht einnehmen von einseitig gelagerten Beiträgen und behaltet euch einen wachen Geist.

Ach, habe ich den Beitrag erwähnt, bei dem Journalisten mit Kamera hinter Bediensteten der Lufthansa herliefen und diese zur Rede stellen wollten? Denn bei der Lufthansa wird ab Morgen Mittag gestreikt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert