Schmachten im gelben Möbelladen

Da waren wir wieder, ein Tag im gelben Möbelladen. Tatsächlich waren es wohl 2-3 Stunden, gefühlt eben (mindestens) ein Tag. Also, im Grunde wie immer wenn man dort ist. Doch heute ist Samstag direkt nach den Weihnachtsfeiertagen. Daher, so denke ich, wird das Geschäft recht leer sein, denn niemand hat nach der weihnachtlichen Materialschlacht noch Geld übrig. Doch das war wohl naiv gedacht, denn ein erster Blick auf den vorgelagerten Parkplatz läßt ahnen, dass man bereits froh sein kann, dass man überhaupt noch einen Parkplatz für sein Gefährt bekommt. Eine Sache, die ich wohl niemals verstehen werde. So kostspielig wie alle sagen, kann das Weihnachtsfest ja nicht sein, wenn noch derart viel Geld übrig ist, um nochmal eben ein paar Möbel zu kaufen.
Nachdem ich wider Erwarten dennoch einen Parkplatz ohne Androhung eines Rechtsstreites ergattern konnte, geht es hinein in die Höhle des Löwen bzw. Elches.
Und spätestens wenn man die Treppe zum Eingang hinauf schreitet, beschleicht einen das ungute Gefühl, dass man gleich wieder durch diese Möbelstrecke hindurch gedrückt wird, auf der einem auf der rechten und linken Seite die tollen Ideen zur Schau gestellt werden, die sich die kreativen Designer Lovlund und Ingmarson in Schweden ausgedacht haben.
Der Vorteil der Möbelstrecke: Man kann sich quasi nicht verlaufen.
Der Nachteil ist wohl der, dass man sich wie eine Art Vieh vorkommt, das einen abgesteckten Pfad entlang geführt wird.

Sowieso ist das gesamte Konzept aus Sicht des Konzernvorstandes perfekt. Es hat anscheinend mit ausgezeichneter Perfektion die Idee verfolgt, wie man mit so wenig Beschäftigten und noch weniger Aufwand wie möglich am meisten Umsatz generiert.

Zwar sieht man hier und da ein paar Beschäftigte herum laufen, doch haben Sie schon einmal nachgefragt? Entweder sind diese Mitarbeiter umzingelt von fragenden Kunden oder man bekommt lapidare Antworten. Und meistens wird man nur auf das Lager verwiesen, wo man sich alles selbst heraus ziehen kann. Sowieso steht meist alles nicht dort, wo man es vermutet. Ist man im Lager und findet etwas nicht, wird man auf den Platz in der Fläche verwiesen. Dann muss man den ganzen Wanderpfad entgegen dem Strom nochmal abwandern.

Raucher haben es besonders schwer. Ziemlich genau zur Hälfte des Geschäftes befindet sich das Restaurant. Bis man dort ist, sind je nach Suchanfrage, Tagesform und Geldbeutel mindestens 45 Minuten vergangen. Zeit für eine Zigarrette, insbesondere wenn man Kaffee trinkt. Doch das geht seit geraumer Zeit aufgrund des Schutzes der Nichtraucher nicht mehr. Was also tun? Wie komme ich zum Ausgang, um zumindest dort eine rauchen gehen zu können? Die Antwort lautet dann, mindestens 5-10 Minuten durch die Strecke quälen, nur um eine rauchen zu gehen. Anschließend das gleiche wieder zurück zum Restaurant. Besonders wenn man in Begleitung ist, unterläßt man dies dann aus Rücksicht.
Dann heißt es stark sein, denn folgt man der Möbelstrecke, werden noch einmal locker 45-60 Minuten vergehen, bis man frühestens das Geschäft verlassen kann. So folgt man der Viehstrecke also mit einem Schmacht, der sich geschnitten hat. Man wird reizbar.
Und die letzten Etagen werden zähneknirschend ob des schlechten Service abgeschlendert, mit dem Ziel, das Geschäft so rasch wie möglich zu verlassen.

Doch da hat man ja noch nicht mit dem bereits oben erwähnten Lager gerechnet. Hier kann man sich seine Ware als Kunde bitteschön selbst aus dem Regal ziehen. Vorbei sind die Zeiten, wo einem das noch von freundlichen Mitarbeitern zurecht gelegt wird. Angestellte für das Lager sind wohl viel zu teuer. Das Geld kann das gelbe Geschäft sich auch sparen, wenn ich es selbst mache. Das Konzept geht auf und wird gleich irgendwie im Hintergrund mit kommuniziert. Hier bist Du selbst (geduzt wird man schließlich sowieso schon). Hier darf ich mir die Ware gleich selbst aus dem Lager ziehen. Doch zunächst muss es erstmal gefunden werden. Doch es ist ja alles total logisch ausgezeichnet gewesen, so dass ich es gleich selbst gut finde. Eine Problematik, die sich erst garnicht ergäbe, wenn ich mein Zeug zusammen gestellt bekommen würde.
Die Kassen sind seltsamerweise immer voll. So bleibt die letzte Schlacht zu schlagen: Wo befindet sich die Kasse mit der kürzesten Schlange? Und angestellt. Weitere unnötige Minuten, die mich nach 2,5 Stunden von meiner Zigarrette abhalten. Man möchte dann nur noch raus. Doch was ist das? Als Kunde darf ich auch selbst abkassieren! Wow.
Ich erinnere mich, als anfangs diese sog. ‚Express-Kassen‘ eingeführt wurden, mussten die umliegenden KassiererInnen aushelfen, wenn ein Kunde damit nicht zurecht kam. Na toll, dachte ich, da kann man als KassiererIn mit seinem KnowHow sich selbst arbeitslos machen. Nämlich dann, wenn es nur noch solche Express-Kassen geben sollte. Tolle Perspektive.
Die Kunden übernehmen immer mehr meinen Arbeitsplatz und ich bin demnächst überflüssig. Ob die Liebe zum ‚ich mach als Kunde am besten alles selbst‘ jemals so weit gehen wird? Aus diesem Grund stelle ich mich prinzipiell niemals an die Express-Kassen, mögen sie auch noch so praktisch oder schnell sein.
Mir egal, denke ich, ich habe die letzte Hürde an der klassischen Kasse geschafft. Doch da gibt es noch diese Hot Dogs, die man sich, wie sollte es anders sein, auch gleich selbst zusammenbasteln muss. Da geht doch alles gleich viel schneller, wenn ich es als Kunde gleich selbst mache.
Völlig geschafft und mit einem Schmacht, der sich langsam aber sicher als Sternchen vor meinen Augen abzeichnet, ziehe ich an meiner Zigarrette, nachdem ich die Drehtür durchschritten habe. Diesmal bin ich mit wenigen Euro durchgekommen. Ein kleiner Durchbruch aber auch im Sinne meiner Annahme, dass nach dem Weichnachtsfest nicht mehr Geld übrig ist. Komisch, wieso das für die anderen gefühlten 2500 Kunden nicht zutrifft? Ich glaube, ich brauche eine Gehaltserhöhung…

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